XV Edition GIZ Law Journal

ETHIOPIA

ETHIOPIA

Andererseits ist die Beziehung der AU zum Internationalen Strafgerichtshof zu nennen. Nachdem viele afrikanische Staaten anfänglich das Rom-Statut ratifiziert hatten und dem Internationalen Strafgerichtshof Unterstützung lieferten, ist die AU seit 2008 immer wieder kritisch gegen die Rolle des Internationalen Strafgerichtshofs aufgetreten. Mit der Strafverfolgung gegen die amtierenden Präsidenten des Sudans und Kenias sowie des Vizepräsidenten KeniasinDenHaagkam2013einweitererKonfliktherd hinzu. Die AU will als Reaktioneine eigene regionale Strafgerichtsbarkeit am Menschenrechtsgerichtshof aufbauen. Auch etwa das VN-Sondertribunal für Ruanda in Arusha wird immer wieder angesichts hoher Kosten als wenig ertragreich kritisiert. Diese Position unterstützt die Idee eines „eigenen“ afrikanischen Strafgerichtshofs noch weiter. Diese Rahmendiskussionen und –ereignisse 14 wirken mit Sicherheit auf die Richter/innen am Menschenrechtsgerichtshof ein.. Die Entscheidungsdichte ist noch überschaubar, steigt aber stetig. Der Gerichtshof hat bislang weniger als 30 Verfahren angenommen und 1 stattgebendes Urteil veröffentlicht. Wenn man dies mit einer mittleren und langfristigen Perspektive im Kontext der AU und im Vergleich zu den anderen regionalen Menschenrechtssystemen betrachtet, kann das sorgfältige Vorgehen des Gerichtshofs durchaus der

werden und regelmäßig Berichte der Staaten über Entwicklungen in Bezug auf die Rechte der Charta abgenommen werden können. Die selbst gesetzte Verfahrensordnung von 1988 (dort Art. 114) in der Version von 2010 (s. Art 93) erweitert auch die Aktivlegitimation im Vergleich zur ursprünglichen Menschenrechtscharta erheblich. In der Menschenrechtscharta ist die Zuständigkeit auch für „andere Mitteilungen“ (Art. 55 Menschenrechtscharta) vorgesehen, was die Verfahrensordnung auf Beschwerden durch Individuen oder Menschenrechtsorganisationen erstreckte. Die Leistung der Kommission hinsichtlich der InterpretationderChartawirdauchvonkritischenStimmen gewürdigt 10 . Allerdings wird die Durchsetzbarkeit von Empfehlungen und Entscheidungen angezweifelt, obgleich das völkerrechtliche pacta sunt servanda und Art. 1 der Charta einen ausreichenden Rahmen liefern 11 . Neben der Menschenrechtscharta sind insbesondere das Protokoll zum Schutz der Rechte der Frauen in Afrika, die Afrikanische Kinderrechtscharta und die Afrikanische Charta für Demokratie, Wahlen und Regierungsführung als normativer Rahmen des Afrikanischen Menschenrechtsregimes

Normativer Rahmen und Einführung in das Menschenrechtssystem Als Referenz für die African Governance-Architektur (AGA) werden die gemeinsamen afrikanischen Werte bezeichnet, die shared values. Dieser Bezug wurde in der Abschlusserklärung des 16. Gipfels der Staats- und Regierungschefs der Afrikanischen Union Anfang 2011 explizit hergestellt und die Einrichtung der AGA Plattformmandatiert. Neben dem Rechtsrahmen der Afrikanischen Union als supranationaler Organisation ist das Menschenrechtssystem auf eine besondere normative Grundlage gestellt. So wurde die Afrikanische Menschenrechtscharta 1981 verabschiedet und trat 1986inKraft 8 .AufdemKontinenthatnurSüd-Sudan(und Marokko als Nicht-Mitglied der Afrikanischen Union) die Charta nicht ratifiziert. Damit ist das afrikanische das größte regionale Menschenrechtsregime. Besonderheiten der Charta sind etwa - die Einbeziehung der Familie als Rechtssubjekt, - dieAuflistungvonPflichtender Einzelnengegenüber der Gesellschaft und - die Verfasstheit von Rechten der Völker – prominent etwa auf Selbstbestimmung und Verwaltung der eigenen Ressourcen 9 . In der Menschenrechtscharta war die Afrikanische Menschenrechtskommission als Beschwerde-, Interpretations- und Berichtsinstanz vorgesehen. Hier sollten Staaten gegen andere Staaten Rechenschaft einfordern, die Auslegung der Charta abgefragt

Am 22. Januar 2006 wählten die Minister der 8. Ratssitzung der Afrikanischen Union die ersten 11 Richter/innen. Grundsätzlich werden Richter für eine sechsjährige Amtszeit aus einer von den Mitgliedsstaaten mit Kandidaten gefüllten Liste gewählt. Sie können einmal wiedergewählt werden. Präsident und Vize-Präsident des Gerichtshofs werden im Rahmen ihrer Amtszeit höchstens zweimal und für zwei Jahre gewählt. Die Richter kommen nur auf den Ordentlichen Sitzungen zusammen. Allein der Präsident arbeitet permanent amSitz des Gerichtshofs, in Arusha/ Tansania. Die erste Ordentliche Sitzung des Gerichtshofs wurde im Juli 2006 in Banjul/Gambia abgehalten. Unter dem 15. Dezember 2009 veröffentlichte der Gerichtshof seine erste Entscheidung, in der er eine Klage gegen Senegal mangels Zuständigkeit abwies. Um die Rolle und Aktivitäten des Gerichtshofs zu analysieren, sind neben vielen anderen sicherlich zwei Aspekte aus dem juristischen Umfeld besonders zu nennen. Dazu gehört einerseits die Schließung des Gerichtshofs der South African Development Community (SADC) 2012. Nachdem dieses Regionalgericht 2007 und 2008 Simbabwes Normen, die der Verstaatlichung der Farm eines (weißen) Großgrundbesitzers zugrunde lagen, als rassistisch und für unrechtmäßig erklärt hatte, lehnte Simbabwe das Gericht als illegitim ab. Der Staatenverbund SADC beauftragte das Gericht 2010 mit einer internen Überprüfung der Zuständigkeiten, so dass keine Verfahren mehr fortgeführt oder angenommen wurden. Im Jahr 2012 wurde es endgültig geschlossen.

heranzuziehen 13 . Der Gerichtshof

Nachhaltigkeit des Systems zuträglich sein. Zu den Entscheidungen des Gerichtshofs

Um dem quasi-justiziellen Charakter der Kommission einen handfesten Gerichtshof zur Seite zu stellen, wurde Ende der 1990er Jahre das Protokoll zur Menschenrechtscharta und zur Errichtung eines Afrikanischen Gerichtshofs verabschiedet. Es trat 2004 in Kraft.

Anfang 2011 wies der Gerichtshof wenige Tage nach Eingang einer Klage gegen Libyen in einer einstweiligen Verfügung die libysche Regierung an, Gefährdungen der Zivilbevölkerung einzustellen und Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.

9 Es gibt daneben noch andere Besonderheiten, die akademische Bearbeitung erfahren haben, wie etwa das Recht auf Widerstand in Art. 20 Abs. 2 der Charta. 10 Vgl. M Du Plessis & L Stone, ‘A court not found?’ (2007) 7 African Human Rights Law Journal, S. 522 ff.; F Viljoen & L Louw `The status of the findings of the African Commission: From moral persuasion to legal obligation’ (2004) 48 Journal of African Law 1, S. 9-10 11 Vgl. G Mukundi Wachira & A Ayinla, ‘Twenty years of elusive enforcement of the recommendations of the African Commission on Human and Peoples’ Rights. A possible remedy’ (2006) 6 African Human Rights Law Journal, S. 465 ff. 12 Bei Verletzungen von Kinderrechten besteht ein eigener Beschwerdemechanismus vor dem Afrikanischen Expertenkomitee für die Rechte und das Wohlergehen des Kindes. 13 Zu Texten und Stand der Ratifizierungen vgl. http://au.int/en/treaties

14 Ein weiteres Thema, das hier nicht vertieft betrachtet werden soll, ist die vorgesehene Zusammenlegung von Afrikanischem Gerichtshof und AfrikanischemMenschenrechtsgerichtshof. Diese stand schon fest, als der Menschenrechtsgerichtshof seine Arbeit aufnahm. Für die Zukunft sind demnach drei Kammern vorgesehen, die Menschenrechtskammer (wie bislang), eine regionale Strafverfahrenskammer und eine Allgemeine Kammer (als Gerichtshof der Afrikanischen Union), die neben demMandat, Verfahren zwischen AU-Organen oder welche die AU Normen betreffen, zu bearbeiten, auch „any question of international law“ (Art. 28 d) des neuen Protokolls) hören kann; Wegen einer Immunitätsklausel für Staatschefs und „senior state officials“ und anderer Elemente, wird das zukünftige Protokoll zu recht kritisiert und steht unter politischer Beobachtung von Seiten der Geber – inklusive EU und BMZ. www.au.int/en/sites/default/files/PROTOCOL_STATUTE_AFRICAN_COURT_JUSTICE_AND_HUMAN_RIGHTS.pdf

24

25

Made with FlippingBook - professional solution for displaying marketing and sales documents online