XV Edition GIZ Law Journal
ETHIOPIA
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einem Moment, der seit Mitte 2013 als eine Phase der Konsolidierung zu beschreiben ist. Die jüngsten Entscheidungen weisen darauf hin, dass sich die Richter/innen und die Justizabteilung des Gerichts tiefergehender mit den rechtlichen und tatsächlichen Umständen der Verfahren beschäftigen undnicht jede Möglichkeit zur Klageabweisung nutzt. Hier setzt die Beratung des AGA-Programms an. Fachliche Fragestellungen sollen geeignete Ansprechpartner finden, etwa auch bei anderen internationalen Gerichten. Der institutionelle Selbstwert und die Identität des Gerichtshofs soll im Austausch mit anderen Organen des Menschenrechtsschutzes und der Afrikanischen Governance Architektur gefestigt werden. Noch immer haben viele Mitgliedsstaaten der AU das Protokoll zur Charta und der Errichtung eines Afrikanischen Gerichtshofs von 2004 nicht ratifiziert (27) oder die Erklärung hinsichtlich der Aktivlegitimation von Individuen und Nichtregierungsorganisationen 17 nicht abgegeben (47). Indem neben Gerichtshof und Kommission auch die Politische Abteilung der AU Kommission oder das Panafrikanische Parlament die Notwendigkeit dieser Ratifizierungen thematisieren und indem die Zivilgesellschaft angesprochen wird, kann legitimer Druck auf die Mitgliedsstaaten ausgeübt werden. Wie kann aber schon jetzt das Schicksal eines Einzelnen vor dem Gerichtshof zur Entscheidung gebracht werden? Neben dem direkten Zugang im Falle der sieben Staaten, die eine solche Möglichkeit zugelassen haben (Burkina Faso, Elfenbeinküste, Ghana,
Mitte 2012 wurden die ersten öffentlichen mündlichen Verhandlungen durchgeführt. Mitte 2013 wurde ein erstes Urteil veröffentlicht, das materiell-rechtliche Erwägungen enthält (ein Wahlgesetz in Tansania wurde als unvereinbar mit der Menschenrechtscharta gewertet: es beeinträchtigte den Einzelnen in seinem passiven Wahlrecht, durch die Pflicht, sich nur über eine politische Partei zur Wahl stellen zu können 15 ). Die meisten Verfahren werden mangels Zuständigkeit abgewiesen, weil die beklagten Staaten keine Sondererklärung im Sinne von Art. 34 Abs. 6 des Protokolls von 2004 zur Menschenrechtscharta und zur Errichtung eines Afrikanischen Gerichtshofs abgegeben haben, wonach auch Individuen oder Nichtregierungsorganisationen aktiv legitimiert wären 16 . Daneben sind einige Verfahren als unzulässig abgewiesen worden, weil der Gerichtshof (teilweise mit 6 zu 4 Entscheidungen) die Erschöpfung des Rechtswegs innerhalb des jeweiligen Mitgliedsstaates als nicht gegeben bewertete oder die zeitliche Zuständigkeit (ratione temporis) als nicht gegeben ansah, weil Geschehnisse von vor Inkrafttreten des Protokolls anhängig gemacht wurden oder ein zu langer Zeitraum zwischen dem letzten Rechtsmittel und der Klageeinreichung beim Gerichtshof lag. Letztere Einschränkung wurde allerdings durch die zuletzt veröffentlichte Vorab-Entscheidung Zongo v. Burkina Faso (21.6.2013) aufgegeben. Zu den fünf eingegangenen Anfragen auf Gutachten (advisory opinions) ist noch keines erstellt und veröffentlicht. Einschätzung und Ausblick Der Gerichtshof befindet sich nach alledem noch in
Malawi, Mali, Ruanda und Tansania), kann der Weg über die Kommission eingeschlagen werden. Die Kommission kann Verfahren gegen Staaten vor den Gerichtshof bringen und somit „im Namen“ der Betroffenen gegen den Staat vorgehen. Die Rechte eines indigenen Volkes in Kenia, das wegen Rohstoffgewinnung von seinem angestammten Gebiet vertrieben wurde, machte die Kommission geltend (ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist für November 2014 angesetzt). Auch über Anträge auf Erstellung von Gutachten ( advisory opinions ) könnten Nichtregierungsorganisationen aktiv werden. Dies scheint in gewisser Weise ein blinder Fleck zu sein. Einerseits sieht das Protokoll keine Antragseinschränkungen vor ( Art. 4 Abs. 1: „ … any African organization recognized by the African Union …“ ), so dass die Zivilgesellschaft munter Anfragen vorlegen könnte. Andererseits hat auch der Gerichtshof noch keine der Anfragen abschließend bearbeitet und veröffentlicht 18 . Nichtregierungsorganisationen können sich auch in die Verfahren einbringen. Der Gerichtshof hat amicus curiae – Stellungnahmen, also Privatgutachten, angenommen und begrüßt 19 . Besondere Bedeutung für die Durchsetzbarkeit und Umsetzung von Menschenrechten hat die Zusammenarbeit des Gerichtshofs mit anderen Organen der AU – so wie es die African Governance Architektur vorsieht: - Entscheidungen der Kommission: • Die Entscheidungen und Berichte der Kommission könnten Durchsetzbarkeit erlangen, wenn man Art. 23 Abs. 2 der AU Charta anwendet, wonach die AU Sanktionen gegen Mitgliedsstaaten erheben kann, die „Entscheidungen der AU“ nicht umsetzen 20 .
• In der neueren Verfahrensordnung der Kommission von 2010 ist unter Art. 118 nunmehr festgelegt, dass wenn ein Staat eine Entscheidung nicht umsetzt oder einhält, die Kommission den Gerichtshof anrufen kann. Hier wird deutlich, dass der Gerichtshof eine stärkere Autorität in das Menschenrechtssystem einbringt. - Kooperation zwischen Kommission und Gerichtshof: wie schon erwähnt, kann die Kommission in Stellvertretung als Klägerin Verfahren gegen Mitgliedsstaaten vor den Gerichtshof bringen und somit in einem konkreten Fall ein Urteil erreichen, dessen Umsetzung von der Afrikanischen Union geprüft werden muss. Umgekehrt kann auch der Gerichtshof Fälle an die Kommission verweisen; • Insbesondere das Panafrikanische Parlament kann die Notwendigkeit der Unterwerfung von Staaten unter das Menschenrechtsregime der Afrikanischen Union mittels Berichten und Diskussionen mit der Bevölkerung analysieren und bewerben. • Auf der politischenEbene ist dieZusammenarbeitmit der Abteilung für Politische Angelegenheiten der AU ein wichtiger Bezugspunkt. Alle Organe teilen das Mandat, die Erfüllung der Menschenrechte voranzutreiben und dieses Mandat ist eingebunden in die Afrikanische Governance-Architektur. - Outreach und Kontakt mit der Zivilgesellschaft: Daneben liegt ein Schwerpunkt der Arbeit des Gerichtshofs auf der Frage, wie die Institution näher an ihreZielgruppe,dieafrikanischeBevölkerung,herantreten kann. Insbesondere die organisierte Zivilgesellschaft bietet hierfür eine Rezeptionsfläche, die noch besser genutzt werden kann. Das Vorhaben unterstützt etwa, wenn er keine Zuständigkeit hat. - Kooperation mit anderen Organen:
15 Reverend Mbikila et al v. Tanzania, 14.6.2013, vgl. http://www.african-court.org/en/index.php/2012-03-04-06-06-00/all-cases-and-decisions 16 Diese Pflicht zur Abgabe einer Sondererklärung wurde von drei Richtern in einer abweichendenMeinung imFall Femi Falana v. African Union (26.6.2012) als nicht vereinbar mit der Afrikanischen Menschenrechtscharta gewertet. Der im September 2014 neu gewählte Präsident des Gerichtshofs wurde von der Presse dahingehend zitiert, das Protokoll müsse von Seiten der AU geändert werden um diese Klausel abzuschaffen. 17 Die Nichtregierungsorganisationen müssen laut Art. 5 Abs. 3 des Protokolls Beobachterstatus bei der Afrikanischen Menschenrechtskommission beantragt und erlangt haben.
18 Vgl. AP van der Mai, „The advisory jurisdiction of the African Court on Human and Peoples’ Rights“, (2005) 5 African Human Rights Law Journal, S. 27 ff. 19 Art. 45 Abs. 2 der Gerichtsverfahrensordnung sieht eigentlich nur den Fall vor, dass der Gerichtshof selbst auf andere zugeht und um ein Privatgutachten bittet. 20 Vgl. G Mukundi Wachira & A Ayinla, ‘Twenty years of elusive enforcement of the recommendations of the African Commission on Human and Peoples’ Rights. A possible remedy’ (2006) 6 African Human Rights Law Journal, S. 465 ff.
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